Wahrheit oder Mythos. Wir sehen ihn vor uns und wissen sofort: Er ist der Richtige. Aber können wir unseren Gefühlen wirklich trauen?
Es dauert nur wenige Millisekunden, wenn unser Hirn von „Netter Typ“ auf „Mann fürs Leben“ umschaltet: Forscher der Syracuse University im US-Bundesstaat New York haben festgestellt, dass der Vorgang des Verliebens nur etwa eine Fünftelsekunde dauert. Etwa 12 Gehirnregionen spielen dabei eine Rolle und führen zu einer vermehrten Ausschüttung von „Liebeshormonen“ wie Adrenalin, Serotonin und Oxytocin, beschleunigen den Herzschlag und sorgen für die bekannten Schmetterlinge im Bauch. Das funktioniert auch – und sogar noch besser –, wenn der Mann von Gegenüber ein völlig Unbekannter ist.
Manuela Schurk-Balles, Paar-Mediatorin und Coach, weiß: „Es macht klick, wenn uns die Person an etwas sehr Positives erinnert. Was das ist, hängt von den eigenen Erinnerungen und Erfahrungen ab.“ Das ist übrigens auch der Grund, warum man sich oft in denselben Typ Mann verliebt: weil genau dieser Typ dem eingespeicherten Wunsch-Schema entspricht. Trauen kann man diesem Gefühl übrigens nicht – auch das schönste Liebe-auf-den-ersten-Blick-Erlebnis kann sich als Flop entpuppen.
„Unser Unterbewusstsein schätzt unser Gegenüber in Sekundenschnelle ein. Stimmen diese ersten Eindrücke mit unserem Schema überein, so kann es zu ,Liebe auf den ersten Blick‘ kommen.“ Manuela Schurk-Balles, Mediatorin, www.liebescoach.net
Überzeugungsarbeit. Liebe auf den ersten Blick ist meist ein einseitiges Erlebnis. Eine Studie der Berliner Humboldt-Universität mit knapp 400 Teilnehmern hat herausgefunden, worauf Frauen besonders anspringen: So haben z. B. große Männer und Männer, die sexuelle Erfahrung ausstrahlen, einen Vorteil. Hat die Liebe erst einmal eingeschlagen, gilt es, das Gegenüber von seinen eigenen Fähigkeiten und Qualitäten zu überzeugen. Die gute Nachricht: Gelingt die Überzeugungsarbeit, hat man gute Chancen auf das längerfristige Glück. Glaubt man Umfrageergebnissen, so hält die Beziehung von Pärchen, bei denen es in den ersten Minuten des Kennenlernens kräftig gefunkt hat, um 4 Jahre länger als bei jenen, deren Liebe sich langsam entwickelt hat.
Die Ent-Täuschung. Natürlich hat aber auch die langsame Entwicklung von Liebe seine Vorteile. Denn wenn es schnell geht, bleibt wenig Zeit, sich mit den negativen Eigenschaften des Partners auseinanderzusetzen. „Wenn man sich unbedingt verlieben möchte, sieht man genau das, was man sehen möchte. Und nach einem Dreivierteljahr streitet man sich plötzlich über Angewohnheiten des Partners, die er immer schon gehabt hat, die aber vorher einfach nicht wahrgenommen wurden“, erklärt Schurk Balles. Dies bleibt Paaren, die sich vor der Beziehung schon jahrelang kennen, meist erspart. Und, wie Schurk Balles verdeutlicht: Von richtiger „Liebe“ kann bei „Liebe auf den ersten Blick“ ohnehin keine Rede sein: „Liebe auf den ersten Blick ist hauptsächlich ein Hormoncocktail, der den Körper flutet. Die richtige Liebe baut sich dann erst langsam auf, etwa durch Gemeinsamkeiten und positive Eigenschaften.“
In Sekundenschnelle:
- 4 von 10 Menschen hatten schon einmal ein Liebe-aufden-ersten-Blick-Erlebnis.
- Bei Paaren, die sich auf den ersten Blick ineinander verliebt haben, ist die Chance auf eine Hochzeit um 14 % höher als bei Paaren, die sich langsam ineinander verliebt haben.
- Unser Gehirn entscheidet innerhalb der ersten 3 Sekunden, ob wir jemanden sympathisch finden oder nicht. Alle Eindrücke, die nach den 3 Sekunden gesammelt werden, haben weitaus weniger Einfluss auf unsere Gefühle.
- Ein attraktives Gesicht gilt als wichtigstes Auswahlkriterium, die Stimme ist Nr. 2.
Text: Cornelia Stiegler
aus: Liebe auf den ersten Blick, Wahrheit oder Mythos, Interview mit dem Magazin Moments – Das Magazin für die schönsten Augenblicke, März 2016